marke ist marke!

Es war ein klassischer Designjob: Die vorgegebene technische Platform war als solches nicht wirklich herausragend (vielleicht bis auf die neue ultra-schnelle Laserabtastung), auch die Funktionalität war nicht wirklich differenzierend gegenüber der der Konkurrenz (wieso auch, es handelte sich schließlich um eine Computermaus…), also musste das Design den Unterschied machen.

Gemeinsam mit Produktmanagern und Ingenieuren haben die Designer daher versucht, eine Lösung zu entwickeln, die nicht nur den Gebrauchsanforderungen optimal entspricht, sondern vor allem die Zugehörigkeit zur eigenen Marke eindeutig kommuniziert. Denn ein Besuch im Elektrofachmarkt um die Ecke, samt ‚Benchmarking‘, hatte schnell ergeben, dass es im Regal der Computermäuse recht gesellig zugeht und dass sich dort alles irgendwie gleicht: schwarz, technisch und kompetent. Da kommt eine Besinnung auf die eigenen Markenwerte und eine entsprechend eigenständige Formensprache gerade recht, um sich vom Einheitsbrei der Konkurrenten abzuheben!

Schnell ließ sich eine Formensprache finden, von der man fand, dass sie die Werte der eigenen Marke ausdrückte: Menschlich (nicht technisch), ehrlich (nicht überladen) und funktional (nicht maskulin und eher einfach). Zusammen gefasst ergab dies eine einfach zu handhabende und zu reinigende, eher weiblich anmutende Computermaus.

Den Designern gefiel daran, dass, bis auf einen Konkurrenten, sich alle im Markt genau gegensätzlich präsentierten – so war die Aufmerksamkeit gegeben! „Ob das mal gut geht!“ brachte der Produktmanager daraufhin ein, aber er war trotzdem einverstanden: Er begrüßte das Vorhaben, nicht nur blind dem zu folgen, was der Markt als Gestaltungslinie vorgab, sondern auf die Stärke der eigenen Marke zu setzen! Gemeinsam mit anderen Kollegen des Produktmanagements hatte er ja gerade ein Brand-Awareness-Training absolviert.

Auch war er glücklich darüber, dass er endlich mal mit den Kollegen aus der Designabteilung einer Meinung war – früher hatten die Designer zwar tolle Skizzen abgeliefert, aber mit den Anforderungen des Marktes hatten diese wenig zu tun, fand er. Nein, jetzt lief es wie am Schnürchen!
Schnell folgten die weiteren Schritte bis hin zum Produktionsbeginn und auch die Vertriebskollegen in den Ländergesellschaften zeigten sich kooperativ und folgten der neuen Linie. Sie zeigten sich optimistisch, den Handel überzeugen zu können und planten die dafür nötigen Vertriebsmaterialien.

Die Kollegen in der dafür zuständigen Abteilung machten sich an die Arbeit und beauftragten eine Agentur mit der Gestaltung einer Werbebroschüre für den Vertrieb – Im Lastenheft sammelten sie die Features und Besonderheiten und wiesen auf die Herausstellungsmerkmale gegenüber der Konkurrenz hin.

Der Creative-Director der beauftragten Agentur hatte sogleich die zündende Idee: Die Eigenschaften der ultra-schnellen Laserabtastung lassen sich doch wunderbar durch die bestehende Kooperation mit diesem Formel-1-Team untermauern! Diese war zwar vom Geschäftsbereich der Rasierapparate belegt, aber: Marke ist Marke- so einen Auftritt konnte keiner der konkurrierenden Marken vorweisen!
Vor seinem kreativen Auge sah er gleich die Botschaft: die schnellste Computermaus der Welt mit Formel-1-Technologie!
Die Vertriebskollegen waren so begeistert, dass sie schnell einige Änderungen an der Verpackung und den POS-Materialien vornehmen ließen (Gott sei Dank gibt es Sticker!) und so ging es dann in die Gespräche mit dem Handel…

Ein paar Monate später versammelten sich die Designer vor dem Regal im Elektromarkt und staunten nicht schlecht: Ihr Entwurf einer nicht überladenen, hygienischen und einfachen Computermaus war auf wundersame Weise zu einer, mit Rennstreifen aufgemotzten, hyper-schnellen Computerwaffe mutiert! Auf der Verpackung saß nicht, wie geplant, eine Frau vor dem PC, sondern ein jugendlich wirkender Rennfahrer im Overall samt Markenlogo, der die Maus bei einem Rennspiel nutzt. Das Versprechen auf der Packung: „Die neue PC-Maus im modernen Design mit der schnellsten Optik der Welt!“

Frustriert und ratlos sahen sich die Designer an und hatten eine Lektion erhalten: Marke ist halt nicht immer Marke!

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